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Nach den Gleichungen der 1915 von Einstein aufgestellten allgemeinen Relativitätstheorie ist die Schwerkraft eine Wirkung der Geometrie von Raum und Zeit, die wiederum die beiden Seiten eines einzigen Konzepts darstellen, der Raumzeit. Nach dieser Theorie verformt jeder massehaltige Körper diese Raumzeit: so führt die Masse der Erde beispielsweise dazu, dass die Zeit für einen Apfel ganz oben auf dem Apfelbaum ein klein wenig schneller vergeht als für den Physiker, der im Schatten dieses Baumes arbeitet, und wenn der Apfel herunterfällt, erfährt er diese Verformung der Zeit. Es ist die Krümmung der Raumzeit, die die Erde auf ihrer Bahn hält und die auch die Bewegung der Galaxien beherrscht.

Angesichts des Erfolges dieser Theorie, die die Kraft der Gravitation ersetzt durch die Dynamik der Raumzeit, erscheint es natürlich, eine geometrische Erklärung für die anderen Kräfte der Natur und für die Existenz sämtlicher Elementarteilchen zu suchen. Diese Suche beschäftigte Einstein den größten Teil seines Lebens. Er hat sich dabei unter anderem für die Arbeiten des deutschen Forschers Theodor Kaluza und des Schweden Oskar Klein interessiert, für die, so wie die Gravitation ein Spiegelbild der vier Raum-Zeitdimensionen ist, der Elektromagnetismus sich aus der Geometrie einer fünften Dimension ergeben müsste, die allerdings zu klein ist, um unmittelbar beobachtet zu werden. Einsteins Forschungen nach einer Einheitlichen Theorie werden oft als Fehlschlag dargestellt. Doch sie kamen ganz einfach nur zu früh: erst in den 1970er Jahren verstehen die Wissenschaftler endlich die nuklearen Kräfte und die entscheidende Rolle der Theorie der Feldquanten bei der Beschreibung der Elementarteilchen.

Eine winzige 5. Dimension

Die Suche nach einer Einheitlichen Theorie ist eine der zentralen Tätigkeiten der theoretischen Physik heute, und ganz wie Einstein es vorhergesagt hat, spielen hierbei geometrische Konzepte eine Schlüsselrolle. Die Idee von Kaluza und Klein wurde weiter entwickelt und zu einem bestimmenden Element der String-Theorie, ein viel versprechender Rahmen für eine Theorie, die Quantenmechanik, allgemeine Relativitätstheorie und die Physik der Elementarteilchen in sich vereint. In der String-Theorie, wie auch in der Kaluza-Klein-Theorie, sind die von uns beobachteten Gesetze der Physik Wirkungen von Form und Grösse winziger zusätzlicher Dimensionen. Wie aber wird diese Form bestimmt? Die Antwort der Theorie ist umstritten, und sie verändert unsere Sicht des Universums grundlegend.

Kaluza und Klein haben das Konzept einer 5. Dimension zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingeführt, damals kannten die Wissenschaftler erst zwei grundlegende Naturkräfte, die elektromagnetische Kraft und die Schwerkraft. Beide Kräfte nehmen mit dem Quadrat der Entfernung zur Quelle ab, entsprechend war es verführerisch, eine Verbindung zwischen beiden zu vermuten. Kaluza und Klein erkannten, dass die von Einstein formulierte geometrische Theorie der Gravitation diese Verbindung darstellte, unter der Bedingungen, dass eine zusätzliche Raumdimension eingeführt würde, also bei einer Betrachtung einer fünfdimensionalen Raumzeit.

Die Idee ist nicht so abwegig, wie sie zuerst scheinen mag. Es ist in der Tat vorstellbar, dass diese fünfte Dimension einen so kleinen Krümmungsradius hat, dass sie in sich selbst aufgerollt ist und einen winzigen Kreis bildet, der selbst mit den leistungsfähigsten Teilchenbeschleunigern (Siehe Kasten) nicht zu beobachten ist. Und gemäß der allgemeinen Relativitätstheorie wissen wir auch, dass die drei Raumdimensionen, die wir beobachten, sich ausdehnen, sie waren also früher sehr viel kleiner, nichts hindert uns entsprechend daran, uns eine weitere Dimension vorzustellen, die bis heute so klein geblieben ist, dass wir sie nicht unmittelbar wahrnehmen können, die aber bedeutende indirekte Wirkungen hat, die durchaus beobachtbar sind.

In einer Theorie der Gravitation mit fünf Dimensionen wird das Verhalten der Raumzeit bestimmt durch die allgemeine Relativitätstheorie. Zur geometrischen Struktur der vierdimensionalen Raumzeit wird der Winkel hinzugefügt, den die winzige zusätzliche Dimension mit den anderen bildet, außerdem ihr Umfang. Für jeden Punkt der Raumzeit haben dieser Winkel und dieser Umfang einen bestimmten Wert, so wie zwei Felder den gesamten Raum bestimmen und für jeden Punkt präzise Werte annehmen. Seltsamerweise ist es so, dass das Feld der Winkel genau die Eigenschaften eines elektromagnetischen Feldes in einer vierdimensionalen Welt hat. Anders gesagt: die Gleichungen, mit denen man es beschreiben kann, sind die gleichen wie die für den Elektromagnetismus. Das Feld des Umfangs wiederum bestimmt die relativen Stärken der elektromagnetischen Kraft und der Gravitationskraft. So bekommt man also mit einer fünfdimensionalen Theorie der Gravitation eine Theorie, die im vierdimensionalen Raum Gravitation und Elektromagnetismus erklärt.

Verborgene Dimensionen

Die Möglichkeit zusätzlicher Dimensionen spielt eine wesentliche Rolle in der Verknüpfung von allgemeiner Relativitätstheorie und Quantenmechanik. Die String-Theorie – einer der Versuche einer solchen Verknüpfung – stellt Teilchen als eindimensionale Objekte dar, kleine Kreise oder Fäden, die sich in Form von Vibrationen bewegen. Die charakteristische Größe eines solchen Teilchens liegt nahe bei der Planck-Länge, also 10–33 cm (weniger als ein Milliardstel eines Milliardstels der Größe eines Atomkerns).

Die Physiker konnten zeigen, dass ein solcher String in zehn Raumdimensionen vibrieren muss, woraus sich die Existenz von sechs Dimensionen neben den üblichen von Raum und Zeit ergibt. Diese zusätzlichen Dimensionen sind sämtlich zu klein, um direkt beobachtet werden zu können. Neben eindimensionalen Strings kann der zehndimensionale Raum mehrdimensionale Objekte enthalten, so genannte «Branen». Strings können auf einer solchen Brane ausgebreitet sein. Insgesamt ist das Bild, das die String-Theorie entwirft, komplexer als die Kaluza-Klein-Theorie, doch die ihr zugrunde liegende mathematische Struktur ist auch kompletter und weist einen stärkeren Grad an Vereinheitlichung auf.

Die Gesetzte der Physik, wie wir sie beobachten, ergeben sich also aus der Geometrie zusätzlicher, verborgener Dimensionen. Doch wie wird diese Geometrie bestimmt? Die Raumzeit muss den Gleichungen Einsteins genügen, nach denen, um es mit John Wheeler von der Princeton-Universität zu sagen, die Materie der Raumzeit sagt, wie sie sich krümmen soll und die Raumzeit der Materie, wie sie sich bewegen soll.

In der String-Theorie gibt es mehrere zusätzliche Dimensionen, sodass zahlreiche Parameter eingestellt werden müssen. Eine zusätzliche Dimension muss notwendigerweise in sich selbst gewunden sein und einen Kreis bilden. Im Falle mehrerer Zusatzdimensionen kann ihre Kombination verschiedene Formen (oder Topologien) annehmen, beispielsweise eine Kugel, ein Torus oder auch die Verbindung zweier Toren usw. Da jeder dieser Toren eine Länge und einen Umfang hat, lassen diese kleinen Dimensionen eine ganze Reihe möglicher Topologien entstehen, wo dann andere Parameter hinzukommen bezüglich des Platzes der Branen oder der um jeden Torus gewickelten Flusslinien.

Alle möglichen Lösungen sind aber nicht gleichwertig, und jede Konfiguration hat eine Energie, die sich ergibt aus der Anordnung der Flusslinien, der Branen und der Krümmung der aufgerollten Dimensionen. Diese Energie – die Vakuumenergie – entspricht der Energie der Raumzeit, wenn keine Materie oder Felder in den vier großen Dimensionen vorhanden sind. Es wird gezeigt, dass die Struktur der kleinen Dimensionen sich anpasst, um diese Energie möglichst niedrig zu halten, so wie eine Kugel vom Gipfel eines Berges bis nach unten rollt.

Um die Konsequenzen einer solchen Anpassung zu verstehen, betrachten wir zunächst als einzigen Parameter beispielsweise die Gesamtgröße des verborgenen Raums. Der Graph der Vakuumenergie in Abhängigkeit von diesem Parameter zeigt, dass sie bei kleinen Größen hoch ist, dann aber abnimmt und dabei drei Talsohlen durchläuft, von denen jede niedriger ist als die vorhergehende (siehe Kasten S. 136 und 137). Und nach der letzten Senke nimmt sie sanft ab bis ins Unendliche. Dabei ist diese Energie in manchen Talsenken gleich Null, in anderen negativ, in wiederum anderen aber auch positiv.

Um zu wissen, in welchem Gleichgewichtszustand sich der verborgene Raum befinden wird, muss man auch die Ausgangsbedingungen kennen, also die Position, die das System zu Beginn auf der Kurve einnimmt. Befindet sich die Kugel beispielsweise anfangs rechts des am weitesten rechts gelegenen Buckels, wird die Kugel unbegrenzt weiter rollen. Für den verborgenen Raum hieße das, dass er im Laufe der Zeit sich ausdehnt und schließlich selbst nach unseren Maßstäben sichtbar würde. In einem anderen Fall wäre die Endposition des verborgenen Raums in einem der Minima, also in einer Situation negativer, nullwertiger oder positiver Vakuumenergie. In unserem Universum verändert sich die Größe des verborgenen Raumes nicht mit voranschreitender Zeit, sonst wären die Naturkonstanten variabel. Wir können daraus schließen, dass wir uns wahrscheinlich in einem Minimum befinden, das einer leicht positiven Vakuumenergie entspricht.Aufgrund der Vielfalt der Parameter, die eine Minimierung der Vakuumenergie erlauben, müsste man die Kurve dieser Energie als Schnitt durch eine Art komplexes, multidimensionales Bergmassiv ansehen, das Leonard Susskind von der Stanford-Universität als „Landscape“ der String-Theorie bezeichnet. In dieser multidimensionalen Landschaft entsprechen die Minima, also die Senken oder Talsohlen, in denen eine Kugel liegen bleiben würde, den stabilen Konfigurationen der Raumzeit, den stabilen Vakuen.