Ja, das war damals noch vor meiner Zeit, als unser Zwerghase plötzlich seinen Kopf zur Seite hängen liess und sich dabei nicht mehr aufrecht auf den Beinen halten konnte. Jeden Tag - es ging alles sehr schnell - wurde es schlimmer, so dass er bald regelmässig auf seine Seite fiel, kaum hatte er sich aufgerappelt. Wir gingen dann zum Tierarzt, das heisst, ich ging mit dem Hasen dorthin, und der Tierarzt kam dann zum Schluss, dass er den Hasen einschläfern möchte. Er habe eine unheilbare, tödlich verlaufende Nervenkrankheit. Auf meine Bitte, dass ich ihn doch nochmals nach Hause mitnehmen wollte, erwiderte der Arzt trocken, dass sich der Hase bei nächster Gelegenheit sein dem Boden zugewandtes Auge an einem Strohhalm ausstechen werde und dass das wohl - eben auch gerade für Kinder - nicht eben ein schöner Anblick sei. Zudem leide der Hase, man sollte ihn davon erlösen. Nun, ich insistierte durch eine plötzliche Eingebung und nahm ihn mit nach Hause, nachdem ihm der Tierarzt murrend noch eine Vitamin-B-Spritze iniziert hatte. Ich besuchte zu diesem Zeitpunkt einen Traumzirkel bei einem Mann, der sich schon sehr lange mit Traumdeutung beschäftigte. Einer meiner Grossträume - wie ich sie für mich insgeheim seit Jahren nannte - und die Auslegung der Bedeutung dieses Traumes durch eben diesen Mann war mir beim Tierarzt in den Sinn gekommen. Es war eben eine Eingebung, ein glücklicher Einfall, wie ich schon sagte. Zu Hause brachte ich meinem ältestes Sohn erst einmal bei, dass unser Zwerghase wohl sterben wird. Trotzdem wolle ich versuchen, ihm durch Zuwendung zu helfen. Sachte schob ich meine linke Hand unter seinen Körper und hielt meine rechte Hand wenige Zentimeter über ihn, so dass er nun zwischen meinen Händen lag. Ich sagte zu mir, jetzt kommts aus, mal sehen was dieser Traum an Wahrheitsgehalt innehat. Nun, der Traum ... das ist eine Geschichte für sich und die möcht ich jetzt auch nicht erzählen. Doch um diese Geschichte mit dem Hasen zu verstehen, muss ich trotzdem einwenig ausholen. Also, der Traumspezialist war klar der Meinung, dass ich einen Reinkernationstraum gehabt hätte und darin eine Initiation zum Schamanen erfahren habe. Er war ganz beeindruckt, was ich von mir zum damaligen Zeitpunkt nicht behaupten kann. Es eröffnete sich hier nun eine Gelegenheit, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen, gewissermassen im privaten Rahmen zu überprüfen. Ich hatte also den Hasen zwischen meinen Händen und sprach zu ihm, zu mir und zum Himmel. Ich war seltsam ruhig, daran erinnere ich mich am besten, und ich bat darum, dass der Hase gesunden soll, wenn ich schon ein Schamane zu sein hätte. Nach einer Weile bettete ich den Hasen wieder zurück auf seinen Platz, wo er zuvor gelegen hatte. Am nächsten Morgen ging er umher, zwar immernoch mit schiefem Kopf, aber er ging und konnte sich aufrecht halten. Ich war erstaunt und gleichzeitig auch nicht. Ich rief den Tierarzt an und der verlangte den Hasen zu sehen. Da haben sie Glück gehabt, meinte er. Die Vitaminspritze muss wohl doch gewirkt haben, erwiderte ich. Er schaute mich einen kurzen Augenblick seltsam an. Wer weiss, bislang hat bei dieser Krankheit nichts geholfen - auch nicht hohe Dosierungen Vitamin B. Ich ging nach hause und wusste nicht, was ich glauben sollte. Die Spritze wird es wohl doch gewesen sein, oder der Arzt hatte eine falsche Beurteilung am Vortag gemacht, was wusste ich. Und so schlug ich meine Möglichkeiten erneut in den Wind. Was es nicht gabt, konnte es nicht geben. Der Hase aber lebte noch einige Jahre weiter. Eines Abends, als ich nach Hause kam, lag er dann wieder in seinem Laufkäfig. Dies tue er schon seit dem Morgen, liess mich meine Frau wissen. Ich brachte ihm Wasser, welches er mühsam trank. Wieder nahm ich ihn zwischen meine Hände, sprach zu ihm, zu mir und dem Himmel. Plötzlich hatte ich die Gewissheit, dass er nun sterben würde. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, aber die mir bekannte Ruhe war da. Der Hase hob seinen Kopf, schaute mich an, legte sich zurück und stiess seinen letzten Atem aus. So starb er, ganz ruhig und Jahre nach meiner ersten schamanischen Erfahrung mit ihm. Heute ist mein damaliges intuitives Wissen zur Gewissheit gereift, dass ich ihm in diesem Moment auch geholfen habe. Ich habe ihm geholfen, abzuschliessen und loszulassen. Und er hatte mir zum zweiten mal die Gelegenheit geboten - unter Einsatz seines Lebens - schamanisch zu lernen. Er war ein guter Lehrmeister und dafür bin ich ihm dankbar. |